Biennale 15 Prolegomena

Sehr geehrte Damen und Herren!  Sehr geehrte Kunstschaffende!
Liebe Freunde von Ars Zoenakulum!

 

 

„in hoc signo – Zeichen und Namen“, 2013, blieb in ihrer Thematik ein wenig auf einer  allgemeinen Ebene: der Mensch mit seiner Fähigkeit zur symbolhaften Abstraktion, also, zur sinnerfassenden Anschauung.  In der Prolegomena damals hieß es unter anderem - ich zitiere:
Es ist beachtlich, dem offenen und schauenden Geist …  scheint nahezu alle Wirklichkeit Zeichenhaftes zu bergen, welches auf eine letzte, uns zukommende Fülle  hindeutet dabei aber auch die Gebrochenheit des Menschen, seine Erlösungsbedürftigkeit veranschaulicht. Dieser Sachverhalt, ja dieser Anspruch gewinnt im Erschauen und Vergegenwärtigen  von Zeichen und Symbolen, von quasi „universalen Kürzeln“,  eine außergewöhnliche Dichte.

 

In dieser nachfolgenden Biennale wollen wir nun aber einen konkreten „Namen“ in den Mittelpunkt stellen!

 

Am Beginn der biblischen Geschichte des Volkes Gottes steht ein vermutlich frustrierter,  weil kinderloser Nomadenhirte, namens Abram, später Abraham genannt,  samt seiner Frau Sarai, später Sarah genannt. Halten wir uns in Erinnerung, ohne Nachkommenschaft zu sein  wurde als ungeheures Übel, als Fluch erlebt, als Verlöschen des Lebensstromes. Dieser Mensch, im vorgerückten Alter, hört  nun,  scheinbar völlig unvermittelt, ein Wort, eine unglaubliche Verheißung von Kind und Nachkommenschaft „zahlreich wie die Sterne am Himmel“,  von Segen für sich und „alle Geschlechter der Erde“. Allerdings, nicht jetzt und nicht hier wird es sich ereignen, sondern in einem anderen Land, das ihm und seiner Frau Sarai gezeigt werden wird. –  Dieser Mensch bricht tatsächlich auf, er stellt sich auf einen Pfad, den er nicht kennt, der unabsehbar ist. Es ist sehr unlogisch, anarchistisch, seinen Clan samt deren obligater Religiösität den Rücken zu kehren! An diesem Punkt beginnt aber definitiv existentiell-innerlich  Neuland, beginnt der Weg. Diese Biennale beschwört und will  Innerlichkeit  im Zeichen dieser Gestalt, dieses Anrufes  – darum dieser Titel:  „Abram inside“


 
Gut, es sind alte Texte, entstanden im Orient, wir finden sie im ersten Buch der Bibel, dem Buch Genesis, Kapitel 13 – 25.  Nicht alles mag uns heute relevant bzw. zugänglich erscheinen. - Was hier besonders interessiert, ist vor allem  dieser Anruf herauszutreten aus einem Korsett,  aus einem Leben, das  bei aller materieller Wohlfahrt -  denn Abraham war durchaus kein Armer in seiner Welt - nicht wirklich Leben ist.  Es geht um Fülle und  Erfüllung. 

 

Ist das nicht allgemein das Thema der abendländischen Ideologien seit der Aufklärung und aller damit verbundenen politischen „Verheißungen“ und „Wege“ den Menschen und  seine Welt zu einer bislang unerreichten Fülle und Freiheit hin zu bringen, alle Widersprüche, alles Übel zu überwinden.  Gut wir kennen ein wenig die Wirkgeschichte, wir wissen um Blut und Asche, wir wissen um die Hölle, die unsere unmittelbaren Vorfahren gekostet haben. Oder ist nicht eher schon all dies vergessen?  Und genießen wir nicht enorme Liberalität? Doch fühlt sich der Menschen tatsächlich erfüllt? Sieht er erlöst aus, agiert er so? -  Ich möchte und wage das aktuelle, heutige  Drama des Abendlandes im Gegenteil in diesem  Satz zusammenfassen:  Freiheit ohne Fülle!

 

Es ist für mich nun dies kein Zufall:  in der biblischen Offenbarung ist diese Erfüllung  verbunden mit  der Erwartung eines  Kindes!  Das Kind offenbart als Sinnbild: du kannst dir die Fülle nicht machen, nicht kaufen,   sie ist mehr Geschenk als Tat  und sie ist  vor allem nicht ein Ding.  Wenn es um Fülle geht, geht es offensichtlich um ein DU, um ein Beziehungsgeschehen, eben: um die Liebe, vor allem, um die Erfahrung des Geliebt-Seins  vom Grunde her.  Aber von welchem Grunde her?

 

Und da hören wir  durchaus auch von Abrahams zweifelnd-ironischer Klage, nachdem er immerhin viele Jahre des Suchens und Wartens und tausende Kilometer Wanderschaft hinter sich hat:    „Mein Gott, mein Gott was willst du mir den schon geben“. – Dieser, sein Gott hat   scheinbar keine Eile, des Menschen Probleme aufzulösen und die Verheißungen zu erfüllen – und doch! Aber zunächst müssen  Abram und Sarai weiter zu warten. Dieser Weg ist tatsächlich, je länger je mehr,  ein mystisches  „Zwischen“. „Zwischen“ meint hier ein Ausgespannt werden  bis in die tiefsten Tiefen der Existenz hinab,   zwischen der Erfüllung der Verheißung, dem nackten Glauben daran,  und der scharfen Wahrnehmung eigener  Begrenztheit, Ohnmacht, eigener  Leere, dem drohenden Nichts.  

 

Hier wären  einige Episoden zu ergänzen, aber dafür sollte ein eigener Vortrag, bzw. andere Texte  angeboten werden.    Ich wollte an dieser Stelle vor allem diesen Dreiklang thematisieren, den ich mit dem Thema „Abram Inside“ zuerst verbinden möchte:  1. Anruf – 2. Aufbruch – und 3. wie sich ein Weg öffnet und zugleich darin, eine lebendige Spannung zwischen Leere und  verheißener Fülle entsteht.

 

Sehr geehrte Kunstschaffende,  in dieser Biennale sind sie eingeladen, Arbeiten in diesem Zusammenhang zu thematisieren, mit dieser Figur sozusagen „schwanger zu gehen“, den Zeitgeist, ihre eigene Existenz und Geschichte, in das Licht dieses Wortes zu stellen:  Anruf – Aufbruch – Weg – Zwischen – Leere – Fülle.


 
Diese Gestalt kommt als eine Verheißung. Zuletzt lesen wir nämlich:  „Abraham starb lebenssatt!“.  

 

„Abraham starb lebenssatt“ - aber  nicht weil er  sich „gut entwickelt“  hat,   sozusagen in „korrekter“ Weise  ganz in der Gesellschaft aufgegangen ist und in diesem Sinne seine Karriere, sein Ansehen erhalten hätte,   etwa entsprechend den heutigen rein horizontalen humanistischen Ansprüchen.
Abram starb lebenssatt, weil er  in den Ereignissen seines Lebens eine übersteigende Herrlichkeit eingeschrieben sah.  Weil in der Erfüllung der Verheißungen von Kind, Land und Segen – und sie hat sich ereignet -  ein neues Sein, eine unermessliche Fülle des „Geliebt seins“ gekostet hat, welches nicht von dieser Welt ist und welche damit auch die Bedingtheiten und Zufälligkeiten der persönlichen Geschichte eines Menschen bleibend überragt.  Ohne noch die späteren prophetischen Offenbarungen  von der „Auferstehung“ und einem „Reich Gottes“ intellektuell zu kennen, haben Abram und Sarai von dieser Hoffnung über allen Hoffnungen vorweg gekostet.

 

Dies alles, meine Damen und Herren erscheint mir von nicht geringer  Bedeutung, gerade für uns Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts. Abram startet wirklich an diesem Punkt, jener inneren Leere und bedrohlicher Absurdität. Eine Art fortschreitende Depression ins Nichts. Und mir scheint, der ganze europäische Kulturkreis im Allgemeinen, ist an diesem Punkt angelangt. Einerseits, eine  Kultur erstaunlicher  individueller Perfektion menschlicher Vermögen und  staatlicher Umsorgung , bzw. Bevormundung, von der Wiege bis zum Totenbett. Andererseits, in seinem faktischen Agnostizismus, zugleich doch bodenlos und ohnmächtig, dort wo es um die tieferen Abgründe, Wundmahle und Sehnsüchte des Menschen geht.

 

In diesem Sinne, ist der innerlich quasi depotenzierte, heidnisch-religiös frustrierte und ernüchterte Abram von Ur,  aktuell für mich auch zur Figur  all jener geworden, die mehr wollen und suchen, als das Faktum des Daseins in seiner Vergänglichkeit abzuspulen. Eine Figur all jener,  die Ausschau halten, die nach Erfahrungen von Fülle des Lebens suchen, nach einem Weg,  über das frustrierende Korsett  von humanistischer Korrektheit,  ideologisch agnostischer Gleichschaltung und bürgerlicher  Religiosität  hinaus.

 

 

Franz Dürnberger  -   

„Prolegomena zur Ars Zoenakulum  Biennale 2015:  Abram Inside“

Salzburg, im Februar 2014

 

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